
Andreas Krieger Heidis weitester Stoss
Persönliche Geschichte, historische Lektion: Über Andreas Kriegers Erfahrungen als Spielball des DDR-Staatsdopings im Kampf der Systeme und die Bedeutung der Aufarbeitung.
"Ich wollte die erste Frau der DDR sein, die 23 Meter stößt.”
Stationen aus Andreas´ Leben

Heidi wird im Alter von 14 Jahren an die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) delegiert. Hier beginnt ihre Karriere im DDR-Leistungssport. Nachdem sie die erforderlichen Leistungen erbracht hat, wird sie beim SC Dynamo Berlin im Berliner Stadtforum unter strengster Beobachtung auf Medaillenkurs gebracht.

Heidi wird im Alter von 14 Jahren an die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) delegiert. Hier beginnt ihre Karriere im DDR-Leistungssport. Nachdem sie die erforderlichen Leistungen erbracht hat, wird sie beim SC Dynamo Berlin im Berliner Stadtforum unter strengster Beobachtung auf Medaillenkurs gebracht.

Von ihrem Trainer erhält Heidi zusätzlich zu den Vitamintabletten, die sie vorher schon bekam, die ersten Dopingmittel – ihre „blauen Pillen“. Einen Namen dafür hat sie nicht. Zudem sind sie nicht mehr originalverpackt; Heidis Trainer gibt sie ihr als „unterstützendes Mittel“.

Von ihrem Trainer erhält Heidi zusätzlich zu den Vitamintabletten, die sie vorher schon bekam, die ersten Dopingmittel – ihre „blauen Pillen“. Einen Namen dafür hat sie nicht. Zudem sind sie nicht mehr originalverpackt; Heidis Trainer gibt sie ihr als „unterstützendes Mittel“.

Heidi Krieger gewinnt die Goldmedaille bei der Leichtathletik-Europameisterschaft in Stuttgart im Kugelstoßen der Damen. Die Kugel fliegt 21,10 Meter weit!

Heidi Krieger gewinnt die Goldmedaille bei der Leichtathletik-Europameisterschaft in Stuttgart im Kugelstoßen der Damen. Die Kugel fliegt 21,10 Meter weit!

Die Mauer fällt, der Kalte Krieg geht zu Ende und Heidi ist weiterhin Hochleistungssportlerin. Doch schon zwei Jahre später, im Alter von 26 Jahren, beendete sie ihre leistungssportliche Karriere, da ihr Körper vom dopinggestützen Training kaputt ist.

Die Mauer fällt, der Kalte Krieg geht zu Ende und Heidi ist weiterhin Hochleistungssportlerin. Doch schon zwei Jahre später, im Alter von 26 Jahren, beendete sie ihre leistungssportliche Karriere, da ihr Körper vom dopinggestützen Training kaputt ist.

Die Wende in Heidis Leben: Ein Freund und Kollege führt ihr vor Augen, was mit ihr los ist. Er kann Heidi den Namen nennen, nach dem sie lange gesucht hat: Transsexualität

Die Wende in Heidis Leben: Ein Freund und Kollege führt ihr vor Augen, was mit ihr los ist. Er kann Heidi den Namen nennen, nach dem sie lange gesucht hat: Transsexualität

Aus Heidi Krieger wird nach drei Jahren endgültig Andreas Krieger. Die Entscheidung, als Mann weiterzuleben, rettet ihm nach eigenen Worten das Leben.

Aus Heidi Krieger wird nach drei Jahren endgültig Andreas Krieger. Die Entscheidung, als Mann weiterzuleben, rettet ihm nach eigenen Worten das Leben.

Erst die Dopingprozesse im Jahr 2000 gegen die Verantwortlichen des DDR-Dopings bringen Andreas die schmerzhafte Erkenntnis, dass er jahrelang unwissentlich gedopt wurde.

Erst die Dopingprozesse im Jahr 2000 gegen die Verantwortlichen des DDR-Dopings bringen Andreas die schmerzhafte Erkenntnis, dass er jahrelang unwissentlich gedopt wurde.

Andreas heiratet Ute Krieger-Krause (geb. Winter), die er zwei Jahre zuvor bei den Doping-Prozessen kennenlernte: „Die Frau ist für mich der Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Ich bin reich beschenkt worden.“

Andreas heiratet Ute Krieger-Krause (geb. Winter), die er zwei Jahre zuvor bei den Doping-Prozessen kennenlernte: „Die Frau ist für mich der Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Ich bin reich beschenkt worden.“
"Für den Staat zählte das Kollektiv mehr als der einzelne Mensch. Die Umsetzung von Parteizielen war wichtiger als die Selbstverwirklichung des Einzelnen. Die vermeintliche Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus sollte sich vor allem in sportlichen Erfolgen widerspiegeln."Andreas Krieger

Hintergrund zum DDR-Staatsdoping
Kugelstoßen der Damen: 23 Meter am Ende der 1980er zum Greifen nahe
Beim Kugelstoßen wird eine Metallkugel durch ein explosives Vorstrecken des Armes möglichst weit gestoßen. Die in der Antike bei Wurfwettbewerben genutzten Steine wurden später durch Kanonenkugeln ersetzt, bis die Maße und Gewichte für die Kugeln 1860 festgelegt wurden. Der erste offizielle Weltrekord der Frauen lag 1924 bei 10,25 Metern. Erst 1977 wurde die entscheidende 22-Meter-Marke geknackt. Weitere zehn Jahre später, 1987, stellte Natalya Lisovskaya den bis heute bestehenden Weltrekord von 22,63 Meter in Moskau auf. Seitdem hat keine Frau den offiziellen Weltrekord übertreffen können und eine Weite von 23 Metern wurde bisher offiziell nicht erreicht.
Stuttgart 1986: Die erste Leichtathletik-EM in Deutschland
Die Stimmung, die 1986 in Stuttgart während der Europameisterschaft im Neckarstadion herrschte, war grandios und ansteckend. Auch diejenigen, die nicht zu den Siegern gehörten, wurden von den Fans gefeiert. Im Medaillenspiegel auf Rang eins waren die Athleten der damaligen Sowjetunion – dicht gefolgt von den Athleten der DDR, die sogar genauso viele Goldmedaillen vorweisen konnten wie die Russen. Im Zeitraum von 1972 bis 1988 dominierten die Athleten der Sowjetunion und der DDR die Olympischen Spiele als Erste und Zweite im Medaillenspiegel.

Die Förderung von Sporttalenten in der DDR
Der Aufbau von Spitzenathleten im DDR-Leistungssport war in einem Stufensystem angelegt (Förderstufe I–III) und beinhaltete einen systematischen Trainingsaufbau vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter. Zur Talentfindung bzw. als Förderstufe I dienten die Trainingszentren, an denen nach jedem Trainingsjahr die Leistungen der trainierenden Kinder überprüft wurden. Erreichten die Kinder und Jugendlichen die Leistungsvorgaben, wurden sie an eine Kinder- und Jugendsportschule (KJS) „delegiert“. Die KJS bildeten das entscheidende Scharnier zwischen der Talentsuche an den Trainingszentren und der hochprofessionellen und hochspezialisierten Leistungszentren der Sportclubs, die an der Spitze der Leistungssportpyramide der DDR standen. Nur die leistungsstärksten, talentiertesten und besten Athleten des DDR-Sportfördersystems erhielten eine Delegierung von einer KJS an einen Sportclub, wie zum Beispiel dem SC Dynamo Berlin.

Der Staatsplan 14.25
In der DDR war internationaler Erfolg im Sport ein ausgewiesenes Staatsziel und wurde für die vermeintliche Überlegenheit des Sozialismus instrumentalisiert. Vor diesem Hintergrund befahl das Zentralkomitee der SED den Staatsplan 14.25. Hinter diesem Staatsplan verbarg sich der Aufbau eines umfassenden Systems sowohl zu organisiertem und gefördertem Doping als auch zur Forschung und Entwicklung von Dopingsubstanzen. Seit 1974 wurde der Staatsplan 14.25 hierarchisch angewendet, beginnend beim SED-Zentralkomitee über das Nationale Olympische Komitee, den sportsmedizinischen Dienst und die Wissenschaft bis hinunter zu Trainern, sodass minderjährige Sportler Dopingsubstanzen, meist in Form von Pillen, zur Einnahme erhielten.
Weitere Sport-Biografien aus der DDR und BRD

Alwin J. Wagner
Mehrfacher Leichtathletikmeister im Diskuswerfen
Mit 26 Jahren war er noch dopingfrei. Obwohl Alwin Wagner als großes Diskuswurftalent gehandelt wurde und internationale Normen für Meisterschaften erfüllte, wurde er vom Deutschen Leichtathletik Verband (DLV) zu keiner Meisterschaft nominiert. Angeblich besaß er keine Endkampfchancen.
Als sein damaliger Diskuswurf-Bundestrainer seinen Vertrag wegen Erfolgslosigkeit vom Verband nicht verlängert bekam und ein ehemaliger Aktiver dessen Stelle übernahm, wurde Alwin mit Versprechungen in die Anabolika-Szene gelockt. Er versprach ihm, dass sich seine Leistungen um bis zu 10% steigern würden und man seinen Namen sehr oft in den Medien erwähnen wird. Alwin probierte die Pillen, die ihm ohne Beipackzettel ausgehändigt wurden und die versprochenen Verbesserungen traten ein. Wagner verdiente durch die Wettkämpfe und andere Nebeneinkünfte fast fünfmal mehr als ein Polizeioberkommisar. Über die Nebenwirkungen und Risiken wurde nicht gesprochen.
Um mit den besten Werfern der Welt mithalten zu können, schluckte Alwin weiter Pillen und ließ sich sogar Spritzen verabreichen, ohne zu wissen welcher Wirkstoff ihm injiziert wurde.
Nach einigen Jahren versuchte Wagner, die Methoden des DLV aufzudecken, aber es gab keine Reaktion. 1981 wurde Alwin Wagner zum ersten Mal deutscher Diskuswurfmeister und ging an die Presse. Aber weder die Politik, noch die Öffentlichkeit reagierte.

Heike Knechtel
Ehemalige Leichtathletin für Mittelstreckenläufe
Heike Knechtel, geboren 1963, besuchte mit 13 Jahren die Kinder- und Jugendsportschule (KJS) des SC DHfK Leipzig. Sie ging als Mittelstreckenläuferin in der Leichtathletik an den Start. Aber nach bereits zwei Jahren wurde Knechtel aussortiert. Sie glaubte also zunächst kein Opfer des Dopingmissbrauchs geworden zu sein.
Im Laufe der Zeit bestritt Heike ihren Magister in Erziehungs- und Sozialen Verhaltenswissenschaften. Doch ihr Weg war steinig. Heike Knechtel musste mehrfach operiert werden. 2003 erhielt sie die Diagnose Brustkrebs. Erst als ihr Arbeitsverhältnis als Geschäftsführerin eines Sozialen Beratungszentrums im August 2014 wegen „voller Erwerbsminderung“ auf Eis gelegt wird, wird Heike klar, dass auch sie ein Opfer des DDR-Zwangsdoping geworden ist.
Knechtel erinnert sich an die Vergabe von anabolen Steroiden im Alter von 13 – 15 Jahren durch den Trainer. Auch Tabellen mussten über die Einnahme sogenannter Vitamintabletten ausgefüllt werden. Heikes schwerwiegende Erkrankungen wurden ärztlich bescheinigt – sie ist ein anerkanntes Dopingopfer. Heute ist Knechtel ein Mitglied und Präventionsbeauftragte des DOH e.V..

Ute Krieger-Krause
Ehemalige Sportschwimmerin
Ute Winter ist ein Jahr nach dem Mauerbau geboren. Mit fünf Jahren lernt sie schwimmen und wird 1973 auf der Kinder- und Jugendschule Magdeburg aufgenommen. Ein langgehegter Wunsch. Ab sieben Uhr früh schwimmt sie endlose Bahnen. Dann – Ute Winter ist elf – stehen die Becher mit den „Vitamin“ Tabletten am Beckenrand. „Ich spürte die Blicke der Trainer, wenn wir sie schluckten.“ Dabei ständiges Antreiben. Sie wird immer besser, Erfolge stellen sich ein. Mit 14 Jahren, gehört sie dem Kaderkreis II an, ihre Trainingsgruppe besteht jetzt nur noch aus 4 Mädchen.
1977 wird sie in den Olympiakader berufen. Jetzt finden sich neben den bekannten Mitteln neue blaue Pillen. Der Trainingsaufbau wird mit einem Anabolikum unterstützt. Ihre Muskeln wachsen, Schultern, Arme, Hals werden mächtiger. Ute wird ihr eigener Körper fremd. Sie beginnt zu hungern, doch statt abzunehmen, nimmt sie weiter zu.
Harte, schier endlose Trainingseinheiten werden für Ute Krause unerträglich. Mit 16 Jahren macht sie endgültig Schluss. Die Olympischen Spiele locken nicht mehr.
„In mir war nur Stille“ Ute fällt in ein schwarzes Loch, Bulimie ersetzt das Training, einhergehend mit schweren Depressionen. Sie wird in der Psychiatrie behandelt. 20 Jahre benötigte sie, ihre Krankheit zu erkennen, zu benennen und mit ihr leben zu lernen.
Sie heiratet 2002 Andreas Krieger.

Dagmar Kersten
Ehemalige Kunstturnerin
Dagmar Kersten, geboren 1970. Aufgrund ihres turnerischen Talents wurde sie im Alter von 9 Jahren entdeckt und zum Kinder- und Jugendsportinternat nach Berlin delegiert. Ihr Können entwickelte sich rasch und so startete sie bereits mit 15 an Europa- und Weltmeisterschaften.
Bedingt durch die massiven Extrembelastungen im Kunstturnen und in Verbindung mit unterstützenden Mitteln, bildeten sich bei ihr schwere Wirbelschäden. Dagmar war gezwungen, ein Jahr zu pausieren, da die Gefahr einer Querschnittslähmung nicht auszuschließen war.
Noch im Laufe ihres Comebacks verletzte sie sich erneut so schwer, dass ein weiterer Start bei der WM 1987 unmöglich war. Für die Olympiateilnahme 1988 wurde Dagmar in Zusammenarbeit von Trainern und Ärzten teilnahmefähig gespritzt. 1988 beendete Dagmar, nach Auseinandersetzungen mit Trainern und Funktionären ihre sportliche Laufbahn.
Im Zuge der Schwimmerprozesse und durch den Besuch der Polizei, bezgl. einer Aussage zum Dopingmissbrauch, wurde Dagmar nach eigener umfangreicher Recherche erst bewusst, dass sie in ihrer aktiven Laufbahn massiv gedopt wurden.
Heute führt Dagmar eine Schule für Kampf- und Bewegungskunst, macht Kinder stark und engagiert sich in der Doping- und Gewaltprävention.

Thomas Götze
Ehemaliger Leichtathlet in den Wurf- und Stoßdisziplinen
Als Kind und Jugendlicher begeisterte sich Thomas Götze für Schwimmen, Fußball und auch Schach. Verblieben ist er jedoch in der Leichtathletik, gefördert durch das DDR-Sportsystem. Götze trainierte von 1976–78 in den Wurf-und Stoßdisziplinen als Nachwuchstalent einer Kinder- und Jugendsportschule in Dresden. Dort wurden ihm unwissentlich sogenannte „unterstützende Mittel“ als Vitamine von seinem Trainer verabreicht.
Die von ihm erzielten Leistungen steigerten sich z.B. im Hammerwurf um 15m jährlich. Thomas sportliche Entwicklung verlief also erfolgsversprechend bis zu einer langwierigen Schulterverletzung. Diese hatte eine gnadenlose Aussortierung zur Folge.
Heute kämpft Götze mit erheblichen gesundheitlichen Folgen dieser kriminellen Dopingvergabe durch Verantwortliche des DDR-Staatsdopings.
Zusammen mit Andreas Krieger und anderen ehemaligen Leistungssportlern engagiert er sich in der Dopingprävention.

Projektpartner der Anreas Krieger Story
- USADA: https://www.usada.org/
- iNADO: https://www.inado.org/
- Dopingautoriteit: https://www.dopingautoriteit.nl/
- Slovenska antidoping organizacija: https://sloado.si/
- Antidopingová agentúra SR: https://www.antidoping.sk/
- Latvijas Antidopinga birojs: https://www.antidopings.gov.lv/
- Sluzba Za Antidoping: https://antidoping-hzta.hr/
- Polska Agencja Antydopingowa: https://antydoping.pl/
- Türkiye Dopingle Mücadele Komisyonu: https://www.tdmk.org.tr/
